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18. Juli 23 Von Göttern und Marsmenschen

Uli Matthias • Juli 18, 2023

Von Göttern und Marsmenschen

Die Schatten ziehen gemächlich auf den Weißekreuzplatz, schaffen Raum für entspanntes Co-Working in der Schwarmkunst. Tropfen für Tropfen füllt sich der Platz. Bis zuletzt bleiben die Bänke unterm Laubengang in der Sonne, darauf ein unauffälliges Volk, meist vereinzelt.
Unauffällig für Außenstehende wohlgemerkt. Wer den Platz kennt und um den Grund für die gegenwärtigen Maßnahmen dort weiß, merkt auf. Ja, es scheint zu wirken, die problematische Klientel bleibt zunehmend fort, die wenigen Außenseiter fallen kaum auf.
Natürlich hatte niemand dieses Ziel verfolgt. Das darf man keinem unterstellen. Schließlich handelt es sich um einen öffentlichen Raum. Da soll natürlich niemand vertrieben werden. Nicht einmal diese „Fremdnutzer“, wie sie ein Anwohner auf einer öffentlichen Veranstaltung nannte. Als handele es sich bei ihnen um Aliens.
Das Fremde macht ja oft Angst. Besserenfalls irritiert es. Zum Beispiel die Straßenmusik. Der Blogger liebt Straßenmusik, aber Lars gibt zu bedenken, dass sehr ungewöhnliche Klänge auch verstören, ja, nerven können. Zum Beispiel der Bulgare in der Fußgängerzone, bevor sie die Musiker und Musikerinnen reglementiert haben. Hörgewohnheiten seien da ausschlaggebend. Für die Akzeptanz.
Womit wir schon bei der Zwölftonmusik sind. Der Arnold Schönberg werde doch eher überschätzt, meint Peter. Adorno hin oder her. Hörgewohnheiten, wirft Lars ein. Wagner, sagt Peter. Also einige Orchesterstücke aus dem Parzival höre er ja wirklich gern, aber im Ganzen könne ihm die Oper auch gestohlen bleiben.
Vor allem dieses Pathos, wirft der Blogger ein und Lars stimmt vehement zu: vor allem dieses Pathos! Nietzsche, sagt Peter. Den habe am Ende ja genervt, dass Wagner immer auf Erlösung ging. Obwohl er ja den „Ursprung der Tragödie…“, wirft der Blogger ein, dem Wagner gewidmet hat, ergänzt Peter. Aber danach kam das Zerwürfnis. Na ja, Genies unter sich, sagt Lars.
Außenseiter eben, alle beide, aber auch nicht wirklich außen vor. Nicht wie die Aliens. Oder die Mitarbeiter des Kulturbüros. Die sind natürlich keine Außenseiter, schon weil es bei der Schwarmkunst keine wirklichen Außenseiter gibt. Aber weil Teil der Genehmigungsbehörde auch etwas außer Konkurrenz. Außen vor. Nach der Mengenlehre eben Elemente einer übergeordneten Menge, die sich temporär unter eine Teilmenge mischt. Fremdgänger also. Die spannende Frage am Ende ist ja immer: was folgt daraus?
Eine Maus. In diesem Fall war eine Maus das Ergebnis. Schlauchgewirkt (siehe Foto). Und es hat Spaß gemacht, sagt Stephanie, oft sei es nicht einfach, mal mit dem ganzen Team etwas gemeinsam zu machen. Die Schwarmkunst hat es ermöglicht.

Mäuse sind ja auch nur Menschen. Wie die Götter. Bei Wagner zum Beispiel. Denen hat er ja schließlich alles untergejubelt, meint Peter, jeden Betrug, Inzest, jede Verleumdung. Das war ja in der Klassik eine beliebte Spielwiese, die griechische Götterwelt. In der wirklichen Welt hatten unsere pathetischen Kulturheroen ja wenig Ambitionen. Eher ganz im Gegenteil. Man hatte sich ja eingerichtet, was kümmerten einen da die Massen, ďie darbenden Unterschichten. Irgendwie waren das doch Außenseiter, diese ganze Mehrheit. Jedenfalls im Vergleich zu ihnen, den Genies.




„Wenn rohe Kräfte sinnlos walten…“, kaum irgendwo bricht sich die Angst des saturierten Bürgers vor den ungezügelten Massen deutlicher Bahn, als in diesem Gedicht. „Die Glocke“. Diese Maßregelung (nach unten versteht sich) musste sein. Danach wanderte das Pathos und alles, was politisch gedeutet werden könnte (nach oben etwa), auf den Pantheon. Bildungsbürgerlich, unverfänglich.

Wie bei der Science fiction im real existierenden Sozialismus (wer sagt das? Der Blogger? Das Gewissen? Egal). Asimov?, fragt Lars. Strugatzki, Boris und Arkadi, sagt der Blogger. Stanislaw Lem. Und und und. Man konnte so gesellschaftliche Missstände thematisieren, ohne von der Zensur belangt zu werden. Ging ja nur um Aliens. Marsmenschen, sagt Peter, da waren es die Götter, hier sind es die Marsmenschen.

Und die Aliens auf den Bänken sind verschwunden.


von Kerstin Schulz 04 Nov., 2024
Stellen Sie sich vor, wir gehen gemeinsam auf eine Reise – nicht in ferne Länder, sondern durch die Welten der Kommunikation. Unser Ausgangspunkt ist hier, im "Bleistifthaus", und doch bewegen wir uns auch in den virtuellen Raum. Wir erkunden, wie sich unsere Kommunikation und damit auch unser Weltbild über die Jahrhunderte verändert hat – von den Anfängen der Schrift bis zur heutigen virtuellen Realität, sowohl physisch, als auch virtuell. Ziel ist es, die Rolle und Wirkung neuer Kommunikationsformen auf unser Weltbild und unsere Wahrnehmung zu untersuchen: Was geschieht mit unserer Realität, wenn Kommunikation zunehmend in den digitalen Raum verlagert wird? Empfinden wir dies als Gewinn oder Verlust?
von Uli Matthias 28 Aug., 2023
Am Freitag hieß es Abschied nehmen; panta rhei: stadt im fluss ist Geschichte. Wie ein Strom, der im Augenblick seiner größten Entfaltung - sobald er das Meer erreicht - schon aufhört zu existieren, so endet auch dieses Schwarmkunstprojekt wie alle vorherigen auf seinem Höhepunkt. Alles wandelt sich, nichts bleibt, wie es war. Aber wie ein Fluss, als solcher jenseits seiner Mündung verschwindend, dennoch seine Fracht weiterträgt und ins Allgemeine des Ozeans einspeist, hoffen auch die Schwärmer, darauf wies Lars Adolph in seinem Rückblick auf die vergangenen zwei Monate hin, dass etwas weitergetragen wird, von dem Projekt: Die Freude, die Gespräche, das Miteinander ganz unterschiedlicher Menschen.
von Uli Matthias 19 Aug., 2023
Am Donnerstag war auch die Polizei vor Ort und zwar im Einsatz für die Kunst. Man habe schon früh Interesse gezeigt, sich hier einzubringen, erklärt der uniformierte Schwarmkünstler Gordon von der Polizeiinspektion Welfenplatz, und heute sei es eben soweit. Seine mitschwärmenden Kollegen und Kolleginnen kommen vom gleichen Revier, auch wenn Revier ein veralteter Begriff sei, wie der Blogger aus berufenem Munde erfährt. Es ist ein freiwilliger Einsatz, darauf legen sie Wert. Der Weißekreuzplatz gehöre schließlich zum Gebiet ihrer Inspektion. „Es war uns wichtig, im Stadtteil Präsenz zu zeigen und mit den Leuten hier ins Gespräch zu kommen“, sagt Gordon, „auch mit denen, die uns vielleicht sonst eher skeptisch betrachten“. Deshalb war der Wochentag auch nicht ganz zufällig gewählt, denn der Donnerstag hat sich als Workshop-Termin für die Wohnungslosenhilfe der Diakonie etabliert. Deren Klientel sucht normalerweise nicht unbedingt die Nähe zur Polizei, eine gute Gelegenheit also, um Vorbehalte und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen, wie auch die Sozialarbeiterin Julia bestätigte. Im Rahmen der Kunst funktionierte die Annäherung auf jeden Fall schon einmal sehr gut und Arthur, der nicht zum ersten Mal dabei ist, lobte den Einsatz der Polizisten und Polizistinnen. Aber auch die „Randgruppe“ vom Weißkreuzplatz, deren Angehörige auf den Bänken am Platzrand gern ihr Feierabendbier trinken, kannte keine Berührungsängste, wie auch die Bilder zeigen.
von Cordula und Ilse Paul 17 Aug., 2023
Stereo-Picknick und mehr....
von Uli Matthias 11 Aug., 2023
Es gibt diese Tage, da erinnert selbst die Schwarmkunst mitunter an einen Betriebsausflug. Ein Drittel des zweiten Monats ist jetzt vollendet und viele der neuen Schwärmer kommen immer wieder, sind schon längst gute Bekannte geworden. Und wenn dann noch alte Schwärmer aus dem letzten Jahr hinzustoßen, gibt es viel zu erzählen, werden Erinnerungen und Erlebtes ausgetauscht oder Pläne vorgestellt.
von Kerstin Schulz 08 Aug., 2023
Die Konkurrenz war denn doch zu stark: Kurz nachdem es am Samstag bei panta rhei hieß: „Wasser marsch!“ öffnete auch der Himmel seine Schleusen: Wasser marsch! Zuvor immerhin konnte Martina die neue „Waschstraße“ noch einweihen, die sie sich gewünscht hatte. Mit sichtlichem Spaß, wie die Bilder zeigen.
von Uli Matthias 02 Aug., 2023
Das Gute an der Schwarmkunst ist ja (neben vielen anderen Vorzügen, die wir bei Gelegenheit hier einflechten werden) die Voraussetzungslosigkeit. Um Schwarmkünstler oder -in zu werden, muss man keine besonderen Fähigkeiten haben, man muss sich auch nicht vorbereiten; Schwärmen kann man gewissermaßen bei Gelegenheit. Eine solche Gelegenheit nutzte Kathrin, eine Künstlerin (Plastiken, Zeichnen und Fotografie) wie die Kerstin, man kennt sich und irgendwann wollte sie einmal vorbeikommen. Aber heute bot sich gerade die Gelegenheit, ganz in der Nähe war sie verabredet und danach schaute sie dann gleich mal herein und griff zum Schlauch. Den Schlauch am Wickel hatte auch Indi (hinten nur mit i). Am Donnerstag erst rettete er den Aufbau des dritten Iglu-Pavillons, indem er half die letzte Skelettstange anzubringen. Bis dahin hatte er den Aufbau nur vom Rande aus beobachtet. Heute nutzte er die Gelegenheit, sich auch als Schwarmkünstler einzubringen, ein Spinnennetz wollte er ums Gestell bauen (er sei Spinne, sagt er und zeigt ein Spinnentattoo), aber Schlauch und Kabelbinder finden wenig Halt auf dem glatten Metall und dann ist da noch sein alter Kumpel aus Nürnberg gekommen.
von Kerstin Schulz 29 Juli, 2023
von Kerstin Schulz 02 Aug., 2023
von Uli Matthias 27 Juli, 2023
Alles fließt in der Stadt und der Weißekreuzplatz mit der Schwarmkunst liegt mitten im Flussbett, eine überraschende Untiefe, ein Entschleuniger. So mancher wird angetrieben, bleibt überrascht hängen, wird Schwarmkünstler oder -in durch Zufall. Andere steuern zielstrebig auf den Platz, werfen ihren Anker aus. So wie die Mitarbeiter*innen des städtischen Fachbereichs Soziales, Abteilung Gesellschaftliche Teilhabe. Dass dort die Zusammenarbeit tatsächlich noch funktioniert, wird schnell augenfällig. Gemeinsam beschlauchen sie die erste Wand der "Waschstraße", die bald für ein feuchtfröhliches Highlight sorgen wird. So bleibt alles im Fluss. Panta rhei: stadt im fluss ist auch ein großer bunter Spielplatz und bietet Kindern den Raum, ein Stück Welt zu erkunden, kreativ zu werden oder einfach im Wasserspiel ab 18 Uhr das kühlende Nass zu genießen. Selbst bei kühleren Temperaturen wie an diesem Dienstag. Selbst wenn das Wasser auch von oben kommt. Eher zu den Gestrandeten zählt Hamsibamsi. Hamsibamsi sei hessisch und bezeichne einen, der es allen recht machen will. Sagt Hamibamsi. So wirkt er allerdings irgendwie nicht. Nicht wie einer, den die Meinungen anderer sonderlich kümmerten. Künstler sei er und komme aus Kassel. Von Kultur beleckt, irgendwie. Zu öffentlichen Räumen hat er so seine Ansicht:
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