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Die Platzfrage

Uli Matthias • 7. Juli 2023

Die Platzfrage

Wem gehört der Platz? Bei der Eröffnung von panta rhei: stadt im fluss wurde diese Frage mehrmals aufgeworfen (s. Beitrag „Wasser marsch“). Inzwischen gibt es eine vorläufige Antwort: er gehört der Baustelle.

Nun, zum Glück stimmt das nicht ganz. Auf dem nicht eingezäunten Drittel des Weißekreuzplatzes bleibt noch Raum für die Gastronomie und etwas Kunst. Schwarmkunst in diesem Fall. Panta rhei halt. Das Projekt thematisiert die Verteilung der Ressourcen. Wasser zum Beispiel. Oder öffentliche Plätze. Solche Ressourcen sind umkämpft, da stehen Ansprüche unterschiedlicher Gruppen gegeneinander. Mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichen Möglichkeiten. Sehr unterschiedlichen Möglichkeiten.
Am Dienstag gab es Raum für Menschen in besonderen Schwierigkeiten. Wenigstens vorübergehend. Wenigstens in der Kunst. Die Kunsttherapeutin Ulla Neubacher kam mit einer Gruppe Wohnungsloser vorbei. Man weiß, diese Klientel ist nicht mehr so wohlgelitten auf dem Platz. Auch nicht auf den anderen Plätzen hinterm Bahnhof. Hier auf den bahnhofsnahen Plätzen hatte sie früher noch Platz gefunden. Doch das ist vorbei. Jetzt gibt es dort Sport, Spiel, Gastronomie, eine Baustelle und Kunst.
Kunst also. Für die Gruppe von Neubacher eine spannende Sache, auch wenn einige von ihnen schon im letzten Jahr dabei waren, bei Ob(D)Acht auf dem Georgsplatz. Diesmal entstanden ganz neue Techniken des Schlauchknüpfens. Die Schneckentechnik zum Beispiel. Teilhabe durch Kunst, das funktioniert also noch.

Schwarmkunst ist überhaupt ein inklusives Projekt. Das zeigt sich auch bei der Gruppe von Hörgeschädigten, die schon seit Jahren immer wieder an Schwarmkunstprojekten von Kerstin Schulz teilnimmt. So auch diesmal wieder, bei panta rhei. Hier werden eben nicht nur Schläuche geknüpft, sondern auch soziale Verbindungen. Zwischenmenschliches.

Und das ist schließlich die Grundlage von allem, das Zwischenmenschliche. Auch wenn soziale Beziehungen vielen von uns so selbstverständlich erscheinen, muss man offenbar immer mal wieder daran erinnern. Wie wichtig soziale Kontakte für uns sind, für uns als menschliche Wesen und für die Gesellschaft, die wir gemeinsam bilden. Vielleicht weil auch dieses Zwischenmenschliche eine knappe Ressource ist, wie das Wasser, wie der öffentliche Raum, nicht beliebig verfügbar ist, jedenfalls nicht für alle.


Das zeigte sich gestern, als Vertreter von Politik und Verwaltung im Anschluss an eine Veranstaltung im Pavillon zum Fototermin auf dem Platz einfielen. Mit dabei der oberste Sachwalter für Sicherheit und Ordnung in der Stadt, Axel von der Ohe, der sich kurz auch als Schlauchknüpfer übte. Sein Erscheinen löste auch Protest aus, von einem wütenden Menschen am Rande des Platzes, der einen Verlust beklagte. Einen Verlust, der in den ganzen Diskussionen zur Innenstadtentwicklung und zur Neugestaltung der bahnhofsnahen Plätze bisher kaum vorkommt.

Man habe ihm und den anderen, die oftmals nur als „Trinkerszene“ bezeichnet werden, den Platz genommen, den Ort, an dem sie nicht nur Alkohol konsumieren, sondern sich als soziale Wesen fühlen konnten. In einer Gruppe, die anderswo keinen Platz hat. Und zu dieser Gruppe zählen keineswegs nur Obdachlose, sondern auch Menschen, auf die zuhause nur eine leere Wohnung wartet. Der Verlust des Zwischenmenschlichen ist das, was für sie bleibt. Wenn alles schöner wird auf den bahnhofsnahen Plätzen.

Auch daran sollten wir uns erinnern.


von Kerstin Schulz 20. Februar 2025
von Uli Matthias 20. Februar 2025
Eine Schulstunde etwas anderer Art: an diesem Mittwoch verlegte die 11. Klasse des altehrwürdigen Tilman-Riemenschneider-Gymnasiums in Osterode ihren Kunstunterricht kurzerhand nach Lerbach ins Bleistifthaus. Hier übten sich die Schüler und Schülerinnen begeistert in zweifacher Hinsicht in bildender Kunst: traditionell handwerklich in der Bearbeitung und Verbauung von haptisch erfahrbaren Bleistiften und per Controller in der Konstruktion „raumgreifender“ virtueller Objekte. Diese doppelte Erfahrung machen zu können, fanden eigentlich alle „interessant“ bis „cool“ und Markus, Raja, Valeria und Jara konnten beiden Formen gleichviel abgewinnen. Insbesondere das virtuelle Bauen wurde von Manu, Linus, Malte, Mika und Willy geschätzt, während Jana, Hanne, Bineh und Lia das Handwerkliche präferierten. Auch Isabell hatte ihren Spaß am manuellen Bauen, fand jedoch das Bohren und Sägen deutlich anstrengender, als das lockere Platzieren virtueller Bleistifte. Nicht zuletzt die Arbeit in der Gruppe wurden von mehreren Schülern und Schülerinnen hervorgehoben. Gemeinsam an so einem Projekt arbeiten zu können, sei cool gewesen, meinte Jara. Zudem trafen die Elftklässler beim Bleistifthaus auch auf die Vorarbeiten der Künstlerin Kerstin Schulz und zahlreicher Schwarmkünstler, die bei diversen Sessions ihren Beitrag zum Werk geleistet hatten. Eine kollektive Kunstform wie die Schwarmkunst lenkt die Kreativität der Einzelnen notwendigerweise in bestimmte Bahnen (Bineh), schafft aber auch für viele überhaupt erst den Raum, um Kunst zu produzieren. Für Lia war es eine aufregende Erfahrung, hier auf den Vorarbeiten anderer aufbauen zu können und nicht erst bei Null anfangen zu müssen: „Dadurch kommt man auch auf ganz neue Ideen“. Einfach bleistifthaft eben.
von Kerstin Schulz 18. Februar 2025
Danke an allen fleißigen Helfer der Firma Wedemeyer
von Uli Matthias 6. Februar 2025
Der Workshop an diesem Wochenende stand ganz im Zeichen der Nachbarschaft. Osterode, Ortsteil Lerbach: hier kennt man sich, mehr oder weniger, die Nachbarschaft ist ein überschaubarer Raum mit klaren, eher engen Grenzen, in dem man sich selbst verorten und damit eine verlässliche Basis schaffen kann, auch für die Erkundung scheinbar grenzenloser Welten.
von Uli Matthias 28. Januar 2025
Penvolution-Realität+ weckt offenbar bei vielen Teilnehmenden den kreativen Ehrgeiz, das hat auch der Workshop an diesem Wochenende wieder gezeigt. Sowohl die Arbeit mit den physisch-realen Bleistiften, als auch mit ihren digital-realen Gegenstücken animierte zu ambitionierten Entwürfen und neuen Ideen. Eine Reaktion, natürlich ganz im Sinne der Schwarmkunst, die ja in jedem Menschen kreative Potenziale sieht und einen niedrigschwelligen Zugang zu ihren Angeboten bieten und diese zur Entfaltung bringen möchte. Begabungen und Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern, haben sich auch die Harz-Weser-Werke (HWW) zum Ziel gesetzt (wenn auch mehr mit Blick auf Arbeit und Qualifizierung). An diesem Wochenende trafen die verwandten Ansätze nun aufeinander, als sich eine kleine Delegation der HWW in Lerbach einfand. „Sehr interessant und spannend“ fand Felix, Heilerziehungspfleger bei den HWW, das „Crossover von digitaler und analoger Bauweise“. Er hatte nicht zum ersten Mal eine VR-Brille aufgesetzt und brauchte daher nicht viel Anlaufzeit, um digitale Häuser zu zimmern und Figuren zusammenzustellen.
von Uli Matthias 23. Dezember 2024
Wie wird unser erster Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation verlaufen? Viele Dichter und Denker haben sich mit dieser Frage beschäftigt und dabei vor allem Aufschlussreiches über uns selbst herausgefunden. Würden wir in der Lage sein, die wahren Intentionen von Außerirdischen zu erkennen, die womöglich nach komplett anderen Maßstäben kommunizieren, eine ganz andere Lebensform darstellen und über eine gänzlich andersartige Umwelt verfügen? Und wären wir so mutig, uns dieser Herausforderung zu stellen oder würde uns diese fremde Realität so verunsichern, dass wir jeden Kontakt verweigern?
von Uli Matthias 4. Dezember 2024
Wo liegen die Grenzen des Virtuellen? Und was geschieht, wenn wir diese Grenzen erreichen, womöglich gar überschreiten? Nun, vielleicht ist diese Grenzüberschreitung innerhalb der virtuellen Realität genauso wenig möglich, wie in unserer physischen Welt, aber der Versuch könnte schon zu Grenzerfahrungen führen, wie Lars feststellen musste: „Ich fühlte mich doch immer wieder eingeengt, weil ich ständig an Gitterstäbe stieß“. Ein Phänomen, das allerdings nur auftrat, wenn man sich vor allem realphysisch im virtuellen Raum bewegte und Lars war bei seinem virtuellen Ausflug physisch sehr mobil unterwegs. Das klaustrophobische Gefühl kehrte sich denn auch schließlich geradezu um, wenn er sich innerhalb der VR per virtueller Teleportation fortbewegte. „Bei meiner Rückkehr aus der virtuellen Welt hatte ich das Gefühl, in einen kleineren Raum zu gelangen, vorher war da eine viel größere Fläche“, berichtet Lars.
von Uli Matthias 26. November 2024
Die ersten Schritte in eine neue Welt sind meistens von Unsicherheit begleitet. Wir wollen uns zunächst der Beschaffenheit dieser Welt versichern, suchen nach Vertrautem, registrieren das Fremde, müssen uns orientieren. Wo sind wir gelandet? In Westindien oder doch woanders? Jeder Aufbruch in eine neue Welt fordert unsere Sinne und die Übersetzungsleistung unseres Hirns, das sich aus all dem Neuen ja erst einen Reim machen muss, den es uns vorträgt, in unser Bewusstsein spiegelt: Da sind wir also, in der virtuellen Realität.
von Uli Matthias 20. November 2024
Die unermesslichen Weiten der virtuellen Realität gilt es zu entdecken, vorstoßen wollen wir in ferne Welten, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hat. So könnten wir diesen Blog beginnen, als kleine Hommage an Star Treck zum Beispiel, als Szenario eines Aufbruchs ins Unbekannte, ins Galaktische. Allein, ganz so hoch hinaus wollen wir (vorerst) nicht, wir bleiben bodenständig und hoffen, dass wir so bald keinen neuen Planeten finden müssen, sondern dass der alte es noch eine Weile aushält, auch wenn die Hoffnung einem in diesen Tagen doch recht schwer gemacht wird. Allerdings, völlig falsch wäre ein solcher Anfang auch nicht oder wie Luther später sagen sollte: „Es war wie ein Traum.
von Kerstin Schulz 4. November 2024
Stellen Sie sich vor, wir gehen gemeinsam auf eine Reise – nicht in ferne Länder, sondern durch die Welten der Kommunikation. Unser Ausgangspunkt ist hier, im "Bleistifthaus", und doch bewegen wir uns auch in den virtuellen Raum. Wir erkunden, wie sich unsere Kommunikation und damit auch unser Weltbild über die Jahrhunderte verändert hat – von den Anfängen der Schrift bis zur heutigen virtuellen Realität, sowohl physisch, als auch virtuell. Ziel ist es, die Rolle und Wirkung neuer Kommunikationsformen auf unser Weltbild und unsere Wahrnehmung zu untersuchen: Was geschieht mit unserer Realität, wenn Kommunikation zunehmend in den digitalen Raum verlagert wird? Empfinden wir dies als Gewinn oder Verlust?
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